Weißenburg, 1.6.2017. In wenigen Tagen soll der Weißenburger Mitbürger Muxijodiin („Muxi“) Cismaan nach Italien abgeschoben werden. Aber „Muxi“ aus Somalia spricht kein Wort italienisch, dafür aber fränkisch! Und er ist bestens in Weißenburg integriert. Für die Arbeitsgemeinschaft „Weißenburg hilft“ gibt es keinen logischen Grund, ihn abzuschieben. Deshalb planen die Ehrenamtlichen von „Weißenburg hilft“ am kommenden Samstag eine Sitzwache auf dem Weißenburger Marktplatz.
Die Weißenburger kennen ihn und mögen ihn, den freundlichen und aufmerksamen großgewachsenen, 20-jährigen Somalier, der im Herbst 2014 in der Stadt ankam. Seine dunkle Hautfarbe, seine Rastafrisur und sein inzwischen breites Fränkisch, das er spricht, lassen ihn auffallen. Zuerst war er als minderjähriger Flüchtling auf der Wülzburg untergebracht. Jetzt ist er Volljährig und wohnt in der Flüchtlingsunterkunft am Lehenwiesenweg. „Muxi“, der Bootsflüchtling aus Somalia, sagt, dass Weißenburg seine zweite Heimat geworden ist.
„Es grenzt an ein Wunder, dass er in Italien überlebt hat.“
Sein dramatischer Fluchtweg hatte ihn über Italien nach Deutschland geführt. In Italien hat er zumeist auf der Straße gelebt. Denn Flüchtlinge bekommen in der Regel keine Wohnung zugewiesen. Sie haben auch kaum Zugang zum Arbeitsmarkt. Ohne Eltern, ohne Geld, mit nur 16 Jahren fristete er ein Leben auf der ständigen Suche nach Essbarem und nach Schlafplätzen, die er gelegentlich bei kirchlichen Einrichtungen fand. Sein Schicksal rührte die Menschen, und so sammelten einige mitleidige Italiener etwas Geld für ein Bahnticket und setzten ihn in einen Zug nach München. Eva Sieland-Hischmann, „Patin“ des Flüchtlings und Mitglied von Weißenburg hilft, sagt rückblickend: „Es grenzt an ein Wunder, dass er in Italien überlebt hat.“
Aber von was und wo kann er dort leben?
Durch seinen Aufenthalt in Italien bekam er einen italienischen Pass. Und hier greift die Drittstaatenregelung, die besagt, dass er nicht Deutschland bleiben dürfe, sondern wieder nach Italien müsse. „Muxi“ soll deshalb in den nächsten Tage nach Italien abgeschoben werden. Aber von was und wo kann er dort leben? Ehrenamtliche von „Weißenburg hilft“ versuchen derzeit über Kontakte nach Italien ihm eine Unterkunft und auch Verpflegung, ja auch soziale Kontakte zu verschaffen. Mindesten 30 Monate müsste er sich dort aufhalten.
Absurderweise sind anerkannte Flüchtlinge in Italien schlechter gestellt als Menschen, die sich noch im Asylverfahren befinden. In Italien gibt es zum Beispiel keine Sozialhilfe und im Gegensatz zu Einheimischen können Flüchtlinge nicht auf familiäre Unterstützungsstrukturen zurückgreifen. Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt bleibt ihnen oft aufgrund der schlechten Wirtschaftslage in diesen Ländern versperrt. Und viele Polizeireviere stellen die notwendigen Dokumente zur Arbeitsaufnahme nicht aus. Viele sind dadurch trotz Schutzstatus wohnungslos und leben unterhalb des Existenzminimums.
Viele Flüchtlinge sind in Italien trotz Schutzstatus wohnungslos und leben unterhalb des Existenzminimums…
Aber Muxi spricht nicht mal italienisch, dafür deutsch mit fränkischem Einschlag. Er ist hier bestens integriert und hat in Deutschland gute Chancen auf einen Ausbildungsplatz als Heizungsinstallateur. Seinen eigenen Lebensunterhalt verdient er sich hier auch schon. „Warum soll er nun in diese Ungewissheit und Erwerbslosigkeit abgeschoben werden?“ fragt Dekanin Gottwald-Weber, Initiatorin von Weißenburg hilft: „Es gibt keinen logischen Grund, außer rechtlichen Verordnungen, die man vielleicht neu überdenken sollte, inwieweit sie noch dem entsprechen, was wir in einer Demokratie vertreten wollen.“
Die Arbeitsgemeinschaft „Weißenburg hilft“ wird am kommenden Samstag, den 3. Juni 2017 von 9 Uhr bis 12 Uhr auf dem Marktplatz in Weißenburg mit einer Sitzwache und einer Unterschriftenaktion auf sein Schicksal aufmerksam machen und bittet um Unterstützung für ihr Anliegen.