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„Weißenburg hilft“ feierte einjähriges Bestehen mit großem Begegnungsfest

Trotz Regenwetter war das Festzelt gut gerfüllt. Beim offizielle Teil des Geschehens kamen rund 250 Besucher. Im Laufe des Tages wurden es gut 500 Besucher. (Bild: Diesler)

Ein Jahr ist es her, dass sich in der Römerstadt der Verein „Weißenburg hilft“ gegründet hat. Flüchtlingen vor Ort sollte mit Rat und Tat zur Seite gestanden werden. Zum Jahrestag wurde nun am Gelände der Flüchtlingsunterkunft am Lehenwiesenweg das „Erste Weißenburger Begegnungsfest“ gefeiert.  Von Jürgen Leykamm*

Essen verbindet: Natürlich durfte beim Begegnungsfest, zu dem insgesamt etwa 500 Menschen kamen, auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kommen. (Bild: Leykamm)
Essen verbindet: Natürlich durfte beim Begegnungsfest, zu dem insgesamt etwa 500 Menschen kamen, auch das leibliche Wohl nicht zu kurz kommen. (Bild: Leykamm)

Es stand natürlich ganz im Zeichen des Austausches auf verschiedenen Ebenen. Auf der kulinarischen etwa. Es gab beispielsweise orientalisches Fladenbrot ebenso zu genießen wie fränkischen Zwetschgenkuchen. Auch musikalisch bereicherten sich die Kulturen. Und über allem stand natürlich das Gespräch zwischen den Menschen aus den verschiedenen Kulturkreisen. Nichtsdestotrotz hatte es auch der offizielle Teil des Geschehens mit seinen rund 250 Besuchern in sich (insgesamt waren es fast doppelt so viele). In seinem Rahmen wurde nicht nur der Ehrenamtspreis der Sparkasse verliehen (gesonderter Bericht folgt), sondern einer der Flüchtlinge stellte sich auch ganz offen einem teils recht bewegenden Interview.

„Wir sind keine blauäugigen Gutmenschen“

„Keine blauäugigen Gutmenschen“: Dekanin Ingrid Gottwald-Weber lobte in ihrer Ansprache die Bürger, die eine helfende Hand ausgestreckt haben. (Bild: Leykamm)
„Keine blauäugigen Gutmenschen“: Dekanin Ingrid Gottwald-Weber lobte in ihrer Ansprache die Bürger, die eine helfende Hand ausgestreckt haben. (Bild: Leykamm)

Zunächst aber drückte die evangelische Dekanin Ingrid Gottwald- Weber ihre Dankbarkeit über ein „erfülltes Jahr“ aus. Dank der Initiative habe es in Weißenburg kein „Nebeneinander- her-leben“ gegeben, sondern man habe „selbstbewusst im eigenen Kulturkreis verankert füreinander gelebt“. Der Verein bestehe eben nicht aus „blauäugigen Gutmenschen“, sondern aus Bürgern, die es als Aufgabe einer materiell reichen Gesellschaft sähen, eine helfende Hand auszustrecken. Den Ort der eigenen Geburt könne niemand bestimmen, gab die Geistliche zu bedenken, „auch Deutschland könnte Syrien sein“.

 

Rauschwaden über dem Holzkohlegrill. Kulinarisch wurde auf dem Begegnungsfest einiges geboten (Bild: Diesler)
Rauschwaden über dem Holzkohlegrill. Kulinarisch wurde auf dem Begegnungsfest einiges geboten (Bild: Diesler)

Mittlerweile kann der Helferkreis auf 200 Unterstützer bauen, viele der Ehrenamtlichen seien „unermüdlich im Einsatz“, um einen Lebensraum jenseits von Krieg, Verfolgung und Flucht zu schaffen. Einer, der alles drei durchlitten hat, ist Eyad Darwish, der sich am Fest den Fragen vom Ehrenamtskoordinator des Vereins, Peter Diesler, stellte. Der Befragte und seine Familie gehören zu den ersten Flüchtlingen, die im September vergangenen Jahres in die Flüchtlingsunterkunft am Richterfeld einzogen. „Wir besaßen nichts – nur die Kleider am Leib.“ Als dann plötzlich Vertreter des Helferkreises vor der Tür standen, „haben wir zuerst gar nicht verstanden, was sie wollten.“ Ein Fußball als Geschenk für den Sohn brach das Eis und weitere Aktionen konnten folgen.

Ein Schicksal von vielen: Eyad Darwish (re.) erzählte von der Flucht seiner Familie und von der Ankunft in Weißenburg. Alaa Abdulkarim übersetzte. Bild: Leykamm
Ein Schicksal von vielen: Eyad Darwish (re.) erzählte von der Flucht seiner Familie und von der Ankunft in Weißenburg. Alaa Abdulkarim übersetzte. Bild: Leykamm

Ungern erinnerte sich der Familienvater an seine letzte Zeit in Syrien. Kein Wasser, kein Strom, keine Arbeit, die Kindern konnten nicht zur Schule. „Das Haus zu verlassen war lebensgefährlich“, schilderte Darwish. Die Bombardierung des Domizils zwang zur Flucht, stundenlang trieb die Familie auf dem Mittelmeer – in einem Schlauchboot mit Motorschaden. In Weißenburg lernte sie das Leben neu. Die Kinder konnten Freundschaften aufbauen, die Eltern knüpften Kontakte zu den Einheimischen und lernen deutsch im Integrationskurs. Erst wollten sie woanders hinziehen. Doch die guten Erfahrungen hat die Familie eines Besseren belehrt.

„Es gefällt uns hier“

„Es gefällt uns hier“, stellte Darwisch fest und holte zu einer langen Danksagung aus. „Das Wichtigste: Meine Kinder sind nicht mehr im Krieg! Sie haben jetzt eine Zukunft!“ Doch es mache ihn auch sehr traurig, dass seine eigenen Eltern noch in Syrien leben müssen. „Wir erhalten auch jetzt noch Nachrichten von dort, dass aus dem Freundes- und Bekanntenkreis jemand getötet wurde. Und wir können nichts tun – das belastet uns sehr!“

Die heimische Band „Crunchy Buns“: gleich zu Anfang hatte sie mit „Gimme hope, Joanna“ ein sozialkritisches Lied gegen Apartheid im Gepäck, ließ aber auch Rockklassiker nicht vermissen. (Bild: Diesler)
Die heimische Band „Crunchy Buns“: gleich zu Anfang hatte sie mit „Gimme hope, Joanna“ ein sozialkritisches Lied gegen Apartheid im Gepäck, ließ aber auch Rockklassiker nicht vermissen. (Bild: Diesler)

Das stimmte auch Begegnungsfest- Organisatorin Raily Gräfin von der Recke recht nachdenklich. Sie sei dankbar, selbst noch keinen Krieg erlebt zu haben. Umso wichtiger sei es, gemeinsam für den Frieden einzustehen und dafür zu sorgen, dass die Integration gelingt. Von der Recke nutzte die Gelegenheit um die Werbetrommel für den Verein zu rühren: „Wir brauchen noch mehr Ehrenamtliche!“, appellierte sie an die Mitwirkung der Bürger. Dass die Worte auch von jedem verstanden wurden, dafür sorgten Übersetzungen ins Arabische beziehungsweise von jener Sprache ins Deutsche. Leyla Lindner machte sich hierum verdient ebenso wie Alaa Abdulkarim, einer der jüngsten Flüchtlinge, die nach Weißenburg kamen.

Auf deutsch brachte deren Worte den Gästen Dieslers Gattin Stefanie Schmid näher, auch bekannt als Pastorin der Methodistischen Kirche Weißenburg. Recht unglücklich über die Zustände in seiner Heimat und deren Flüchtlingspakt mit der EU zeigte sich der aus der Türkei stammende Süleyman Yildirim, der seit 36 Jahren hier lebt. Trotzdem aber „sollen meine Lieder wie eine Salbe für die Wunden sein“. Nach seinem Gesang zum orientalischen Seiteninstrument namens Saz legte die heimische Band „Crunchy Buns“ los, die sich erst zu Jahresanfang gegründet hatte. Gleich zu Anfang hatte sie mit „Gimme hope, Joanna“ ein sozialkritisches Lied gegen Apartheid im Gepäck, ließ aber auch Rockklassiker nicht vermissen. Oberbürgermeister Jürgen Schröppel setzte mit seinem Grußwort zugleich den Schlusspunkt, er war zuvor terminlich verhindert gewesen.

* Der Beitrag erschien zuvor im Weißenburger Tagblatt. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Überlassung des Beitrags.

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